Artikel in der Badischen Zeitung

Oben ohne auf den Feldberg im Winter

13. Januar 2018
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9 Min.
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Kategorien: Alle | Challenges | Logbuch
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Meine Eis-Kumpels aus Australien, Belgien, Holland und Deutschland und ich steigen in 2,5 Stunden 'oben ohne' auf den Schwarzwälder Feldberg
Meine Eis-Kumpels aus Australien, Belgien, Holland und Deutschland und ich steigen in 2,5 Stunden 'oben ohne' auf den Schwarzwälder Feldberg
9 Min. Januar 2018, Schwarzwald, Süddeutschland: Gemeinsam mit meinen Ice-Buddies wate ich durch knietiefen Schnee, springe in eiskalte Seen und stiefele auf den schneebedeckten Feldberg. Alles oben ohne wohlgemerkt. Macho-Nummer oder Gesundheitstraining - um was geht's?

Dazu erst mal die Vorgeschichte: Sechs von uns lernten uns vor etwas über einem Jahr in Polen auf einem Extremkälteseminar von ‚Ice-Man‘ Wim Hof kennen.

Wim hält über zwanzig Guinnessbuch-Rekorde, überwiegend in der Kategorie Kälte. Under anderem für das längste Eisbad. Eine Stunde und 53 Minuten hat er es einst im Eiswürfelbad ausgehalten.

Von Wim und seinen Trainern lernen wir Eisbaden, Barfuß-und-oben-ohne-und-schweigend-durch-den-Wald bei 6 Grad Außentemperatur. Für über 2 Stunden. Wie hält man so etwas aus?

Schlüssel sind die sauerstoffreiche Atmung und die Nicht-Wertung von Kältezeichen. Ich will in diesem Post aber nicht zu sehr in die Tiefe gehen – das wird noch Gegenstand eines separaten Artikels.

Fazit des Polen-Seminars: Durch Kälteexposition und Atmung gelangt der menschliche Geist und Körper in ungeahnte Tiefen und erweckt enorme Potentiale und Widerstandskräfte.

Zum Beispiel gegen bestehende Krankheiten (viele Teilnehmer in Polen litten unter chronischen und/oder langfristigen Krankheiten), was mittlerweile auch wissenschaftlich bewiesen ist.

Zurück zum Schwarzwald: Michael und ich begannen Mitte 2017 ein paar Polen-Leute in einer neuen Challenge zusammenzutrommeln: ‚Hey, wie wär’s, wenn wir uns irgendwo in Europa für ein paar Tage treffen. Es sollte dort Schnee liegen und ein Berg in der Nähe, den wir erklimmen können. So wie in Polen damals.‘

Fast forward in den Januar 2018: In Äule, einem Schwarzwald-Ort ‚where the streets have no name‘, liegen in einer über 300 Jahre alten Bauernkate sieben Männer mit geschlossenen Augen auf dem Rücken und atmen schwer: Dylan de Vries, Jimmy Bos, Luit Gazendam (Niederlande), Olivier Massa (Belgien), John Halloran (Australien), Michael Szep und ich (Deutschland).

John, zertifizierter Wim Hof-Trainer, spornt an: „Los Jungs, jetzt einen Gang hochschalten!“.

Die intensive und sauerstoffreiche Atmung alkalisiert nachweislich den Körper, macht ihn also resistenter gegeüber Infektionen. Zudem fördert er die allgemeine Wachheit und Klarheit – und in der Gruppe macht das alles noch viel mehr Spaß.

Jimmy, Dylans Cousin, ist völliger Neuling – und er macht tapfer und ohne ein einziges Wort des Murrens alles mit: Atmen, Seebäder, Oben-ohne-Schneewanderungen. Für mich ein kleiner, aber feiner Beweis dafür, dass sich jeder diese neue wunderbare Welt der Freiheit erschließen kann – ohne Vorkenntnisse oder Training. Mut und Vertrauen reichen.

„Manche fragen, ob wir verrückt sind“

Die Natur hat über Millionen von Jahren ein faszinierendes Meisterwerk geschaffen: Unseren Körper. Ich sehe ihn wie ein Geschenk: Die einen nehmen das Geschenk behutsam in die Hand, entfernen vorsichtig Papier und Bänder, trauen sich aber nicht, alles aus dem Karton auszupacken – denn die ersten Gaben haben ihnen nicht besondern gefallen, sie sind unangenehm – und nun haben sie schlicht Angst oder sind zu bequem, den Rest herauszuholen.

Andere widerum wollen wissen, was und wie viel ‚drin‘ ist. Sie sind von einer natürlichen genuinen Sehnsucht und Lust angetrieben, sich dem Ungewissen auszusetzen und die Angst die Rolle eines weisen Beirats zuzuordnen, sich aber nicht von ihr zermalmen zu lassen. Zu wem zählen sie sich?

„Manche fragen, ob wir verrückt sind“

Langeweile? Verrücktheit? Wichtigtuerei? Nichts von alledem steckt hinter dem Kältetraining auf dem Feldberg, wie zwei Teilnehmer im Interview verraten. Aber Spaß gehört auf jeden Fall dazu.

Bei drei Grad und bedecktem Himmel pfeift einer Reisegruppe eisiger Wind um die Ohren. Im Unterschied zu gewöhnlichen Schwarzwaldtouristen tragen die sieben Männer weder Skier noch Schneeschuhe.

Sie verzichten auch auf Thermounterwäsche, Funktionsjacken, ja selbst Pullover. Unter dem Motto „Feldberg oben ohne“ verbringen sie ein paar Stunden auf dem Höchsten.

Kathrin Blum, die wahrscheinlich verfrorenste Redakteurin der BZ, hat sich über die Truppe gewundert – und zwei von ihnen – Malte Clavin und Michael Szep – interviewt.

'Versuche gerade, diese komische Selfie-Funktion auf meinem Handy zu finden...
'Deperately trying to find this weird selfie-feature on my mobile...'

„Versuche gerade, diese komische Selfie-Funktion auf meinem Handy zu finden…“

BZ: Sie müssen zugeben: Es ist ein bisschen verrückt, im Winter halbnackt auf dem Feldberg herumzulaufen.

Clavin: Wir können barfuß durch den Schnee laufen und in Eiswasser baden: Unser Körper – das Meisterstück der Evolution – macht es möglich. Wir brauchen keine Angst davor zu haben, es passiert nichts. Und wir sind sogar gesünder durch unsere Aktionen. Wir fühlen uns freier und stärker.

BZ: Und männlicher? Soll heißen: Machen Sie das, um anderen – vor allem Frauen – zu imponieren?

Szep: Nein. Aber sicher ist Abenteuerlust und Nervenkitzel im Spiel. Wichtiger noch: Einige von uns lindern dadurch Krankheiten und Leiden: Diabetes, chronische Müdigkeit, Hautkrankheiten, Atemwegserkrankungen, Autoimmun-Erkrankungen, Arthritis – und das ist sogar wissenschaftlich nachgewiesen.

BZ: Ihre Reisegruppe besteht aus drei Niederländern, zwei Deutschen, einem Belgier und sogar einem Australier. Wie und wo haben Sie sich gefunden?

Szep: Das war im Dezember 2016 in Polen in der Nähe des Berges Schneekoppe bei einem internationalen Extremkälteseminar. Das war ein großer Spaß.

BZ: Was hat Sie dorthin geführt?

Clavin: Kindliche Neugier. Die Lust, Grenzen zu sprengen, indem ich meine Ängste herausfordere. Oft sind Ängste ja nur Kopfkino: Wir projizieren Bilder in unserer Fantasie, die nichts mit der Wahrheit und dem echten Leben zu tun haben.

BZ: Wie bereiten Sie sich auf den Kälteschock vor? Heißt: Was werfen Sie ein, bevor es raus geht?

Clavin: Nichts! Sauerstoff ist unsere einzige Droge. So direkt vorbereiten müssen wir uns nicht. Aber man kann das Kälteempfinden natürlich trainieren und sich abhärten.

Wer beispielsweise täglich ein paar Minuten unter der kalten Dusche steht, regt den Stoffwechsel und die Blutzirkulation an. Auch Eisbäder tun gut. Wenn man danach aus dem Wasser kommt, ist man hellwach und topfit. Das schafft kein Kaffee der Welt.

01-Feldberg

Malte und Dylan ‚on the rocks‘

Szep: Man gewöhnt sich überraschend schnell an Kälte. Im Seminar in Polen damals ist jeder von unserer Gruppe, und es waren mehr als 20 Teilnehmer, am Ende des ersten Tages ins Eisbad gehüpft. Und das insgesamt vier Mal. Dann war uns klar: Das kann jeder.

BZ: Wie lange sind Sie in der Regel bei einem Kältetraining draußen?

Clavin: Das kommt auf die Temperatur und den Wind an. In kalten Seen halten wir es bis zu zehn Minuten aus. Bei Schneefall und kaltem Wind bleiben wir auch nicht ewig draußen. Aber ein bis zwei Stunden sind es in der Regel schon. Der Trip auf den Feldberg diese Woche hat zweieinhalb Stunden gedauert.

BZ: Diese Woche ist es verhältnismäßig warm auf dem Feldberg. Hätten Sie Ihre Aktion auch bei zehn, zwölf Grad weniger durchgezogen?

Clavin: Wir wären sicher auch gestartet. Wie lange jeder von uns oben ohne bleibt, vermag ich nicht zu sagen. Es steht jedem jederzeit frei, sich warme Klamotten anzuziehen. Die erste Regel lautet: Kein Wettbewerb! No Ego, we go. Niemand wird unter Druck gesetzt.

BZ: Wie reagieren die Leute auf leichtbekleidete Schneewanderer?

Szep: Die Reaktionen sind sehr unterschiedlich, aber ganz überwiegend positiv. Manche sagen: Ihr seid ja lustig. Andere pfeifen anerkennend. Wieder andere denken, dass wir uns verlaufen haben, und wollen uns helfen. Manche fragen, ob wir frieren, andere, ob wir verrückt sind. Wir haben auf jeden Fall schon viele Menschen zum Schmunzeln gebracht.

Clavin: Bei unserer Aktion auf dem Feldberg hat eine junge Frau sogar ein Foto mit uns gemacht.

BZ: Sie sorgen für Aufsehen, keine Frage. Aber trotzdem klingt es nicht gerade so, als seien Ihre Aktionen gemütlich. Wie hoch ist die Zimmertemperatur bei Ihnen zu Hause?

Clavin: Bei einigen von uns ist sie wahrscheinlich tatsächlich geringer als in einem Durchschnittshaushalt. Dylan hat bei sich gerade mal 16 Grad im Haus.

Szep: Man muss sich ja nicht selbst kasteien. Bei uns liegt die Zimmertemperatur bei etwa 19 Grad, wenn wir Besuch erwarten bei 22 Grad.

BZ: Wer ist wir? Das macht doch keine Frau mit.

Szep: Doch natürlich, wir haben Ehefrauen zu Hause.

BZ: Was sagen die zu Ihren Aktionen?

Clavin: So lange wir uns austoben und sie nicht kalt mitduschen oder -baden müssen, ist alles okay.

BZ: Pflegen Ihre Frauen Sie auch gesund? Vermutlich führt ihr Training nicht zu Muskelkater, dafür aber zu Männerschnupfen.

Szep: Sie haben Recht – auch wir sind nicht unverwundbar. Aber wir stärken unser Immunsystem. Eine Erkältung bleibt meist dann zurück, wenn man zuvor schon angeschlagen war oder es einer in der Gruppe ist und die anderen ansteckt.

Clavin: Unser Immunsystem hat definitiv höhere Barrieren durch das Ganze. Es ist nachgewiesen, dass man durch die reine, tiefe Atmung, wie wir sie praktizieren, den Säure-Basen-Haushalt reguliert und dadurch Bakterien ihren Nährboden entzieht.

BZ: Dann sind Sie ja gerüstet für die nächste Aktion. Wo soll es hingehen?

Szep: Am liebsten in die Antarktis.

Clavin: Das wäre schön, aber vermutlich werden wir uns erneut in Europa treffen.

BZ: Nicht mehr im Schwarzwald?

Clavin: Leider nein. John, unser Australier, soll ja auch noch etwas anderes sehen. Aber es hat uns hier gut gefallen.

BZ: Was denn am meisten?

Clavin: Spätzle und Sauerbraten.

Szep: Das Panorama, die tolle Beschilderung für Touristen. Und das Bier.

Zur Gruppe, die auf dem Feldberg für Aufsehen sorgte, gehören außer Malte Clavin und Michael Szep noch Olivier Massa, John Halloran, Luit Gazedam, Dylan de Vries und Jimmy Os.

Die Männer sind zwischen Mitte 20 und Anfang 50. Wenn sie nicht gerade ihre Bäuche in die frische Luft strecken, arbeiten sie als Fotograf und Unternehmensberater, Immobilienmakler, Grafikdesigner, IT-Berater, Eventmanager, Datenschutzbeauftragter und Bauarbeiter.

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