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Deutschlands größtes Naturreise-Magazin
12 Seiten | Text & Fotos
„Entscheidend ist, was man hier nicht sieht“, wird mir plötzlich bewusst, während unser Pick-up durch die Straßen der Hauptstadt Port Vila rollt, mit 50.000 Einwohnern die bevölkerungsreichste des Landes, dessen 83 Inseln sich über 1300 km des Südpazifiks erstrecken. Es fehlen Ampeln, Parkuhren, Verkehrsüberwachungen. Auch hinsichtlich protziger Autos, plärrender Markenwerbung, posierender Selbstdarsteller herrscht Fehlanzeige.
„Wir machen uns nichts aus Statussymbolen“
Gemächlichkeit – sie ist hier nicht nur eine Haltung, sie scheint der Pulsschlag zu sein, der alles durchdringt. Jeremy, unser Begleiter vom Tourismusbüro, ergänzt: „Wir machen uns nichts aus Statussymbolen. Gemeinschaft, also unsere Stämme, Clans, unser Dorf – das ist uns wichtig. Deswegen seht Ihr hier auch keine Bettler oder Obdachlose. Bei uns fällt niemand aus der Gemeinschaft. Wir halten zusammen.“ Beeindruckt schweigen wir. Jeremy wendet sich zu uns und lächelt: „Keine Sorge, morgen werdet Ihr all das besser verstehen. Dann nehmt Ihr Kurs auf eine Insel, auf der die Uhren noch langsamer ticken: Lelepa.“
Die Gewässer vor den Inseln Lelepa und Moso sind ein vielfarbiges Schnorchelparadies.
Wo Höhlenwände flüstern
Frühmorgens brechen wir auf zu einem Schnorchelausflug. Vor der Küste Lelepas gleiten wir vom Boot ins kristallklare Türkis. Schwarzweiß gestreifte Falterfische huschen zwischen Tischkorallen hindurch, während blaue Doktorfische in trägen Schwärmen über pastellfarbenen Weichkorallen schweben. Wieder Gemächlichkeit. Sie zeigt sich auch über Wasser: Guide Bradley und die einheimische Bootscrew sind entschleunigt, freundlich und relaxt. Wir legen an. Nach einem kurzen Marsch stehen wir in der Fels Cave. Dort zückt Bradley seine Taschenlampe uns erklärt: „Diese Höhle beherbergt zahlreiche prähistorische Felszeichnungen. Sie ist seit 2008 als UNESCO-Weltkulturerbe eingetragen.“
„Wir respektieren und achten diesen Ort noch heute“
Annette und ich staunen über die Wände der Höhle, die bis in Kopfhöhe dicht mit Felsmalereien bedeckt sind. Sie zeigen Darstellungen von Vögeln, Fischen, Schildkröten, Walen und von menschenähnlichen Wesen. Auch rote Handabdrücke und abstrakte geometrische Muster sind zu sehen. Bradley fährt fort: „Die ältesten Bildmotive werden auf die Zeit um das 1. Jahrtausend v. Chr. datiert. Die Höhlenkunst hier zeugt von einer langen Nutzung für rituelle oder künstlerische Zwecke. Wir respektieren und achten diesen Ort noch heute.“
Frauen und Kinder auf Moso singen uns ein Lied, das von ihren Ahnen erzählt, die einst übers Meer kamen und hier die ersten Siedlungen gründeten.
Anschließend folgen wir Bradley durch üppiges Grün. Er zeigt auf wilden Hibiskus: „Extrakte davon helfen unseren Frauen, wenn das Baby sich im Bauch drehen soll.“
Im Dorf am Südrand Lelepas leben etwa 500 Menschen– ohne Strom, in Hütten aus geflochtenen Palmwedeln und Bambus. Jede Familie baut Kokosnüsse, Yams, Maniok, Süßkartoffeln und Taro an. Alles dient dem Eigenverzehr. So wie auch der Fischfang: Gelbflossen-Thunfisch, Wahoo und manchmal Marlin gehören zur Beute.
Frauen und Kinder versammeln sich um uns
Wir betreten eine Gemeinschaftshütte. Frauen und Kinder versammeln sich um uns und stimmen ein traditionelles Lied an. Es erzählt von den Ahnen, die einst über das Meer kamen und erste Siedlungen auf Lelepa gründeten. Dann, nach Rückversicherungen, schüchtern und mit leisen Worten, breiten die Frauen handgemachte Souvenirs vor uns aus. Annette und ich suchen uns ein paar schöne Stücke aus, aus denen dieser besondere Ort nachleuchtet.
Ein Doleschallia-Falter (Doleschallia bisaltide).
Das blaue Wunder von Santo
Die DeHavilland DHC6 Twin Otter mit fünfzehn Passagieren steuert auf die Startbahn von Port Vila zu. Beim Abflug passieren wir neun brach liegende kleinere Flugzeuge am Rande des Rollfeldes. Unser Flugziel ist die mit fast 4.000 Quadratkilometern größte Insel Vanuatus: Espiritu Santo.
Kajaktour durch die kristallklare Shark Bay
Nach einer einstündigen Fahrt zum Turtle Bay Resort machen wir uns von dort auf eine Kajaktour durch die kristallklare Shark Bay. Während unsere Paddel die spiegelglatte Oberfläche der Lagune durchschneiden, freuen sich Annette und ich über die eintretende Ruhe – ohne Motorboote oder andere Wasserfahrzeuge – nur Naturgeräusche aus Wind und Wasser.
Insel Santu: Auf dem Weg zum Blue Hole, einer Süßwasserquelle inmitten eines Flusses.
Nach einer Dreiviertelstunde verlassen wir die Lagune weiter flussaufwärts ins Landesinnere. Gigantische Banyan-Bäume breiten schattenspendende Äste über uns aus, ihre Luftwurzeln hängen wie mystische Vorhänge bis ins Wasser hinab. Schwalben huschen im Tiefflug über die Wasseroberfläche, im Anflug tauchen sie ihre Schnäbel ins Wasser. Wir hören das tiefe, klagende Rufen der Baker-Fruchttaube. Ihr schillerndes grün-violettes Gefieder blitzt kurz zwischen Blättern auf, dann verschwindet sie im üppigen Dickicht.
Selbst in fünf Metern Tiefe ist jeder Kieselstein erkennbar
Die außergewöhnliche Stille hält an, begleitet nur durch das sanfte Plätschern unserer Paddelschläge und gelegentliche Vogelrufe. Nach einer guten weiteren Stunde nimmt das Wasser eine intensivere Farbe an. Der Fluss öffnet sich zu einem ausladenden, fast kreisrunden Becken, dessen tiefblaue Färbung einen beinahe elektrischen Kontrast zur umgebenden Vegetation bildet. Wir haben das Blue Hole erreicht – eine natürliche Quelle, die unterirdisch gespeist wird und deren Wasser so klar ist, dass selbst in fünf Metern Tiefe jeder Kieselstein erkennbar ist.
Insel Santu: Glasklares Quellwasser am Blue Hole.
Am Nachmittag erwartet uns ein weiteres kleines Wunder – die Baumhäuser vom Serenity Tree House in Port Olry. Die auf mächtigen Tamanu-Bäumen errichteten Konstruktionen sind Meisterwerke der Verschmelzung von Wohnstätte und Natur. Die Fensterrahmen sind aus Bambus, die Dächer ein Mosaik aus Palmenblättern und das Holz der massiven Tamanu-Bäume sind als Bodenplanken verarbeitet.
Die erhöhte Position bietet Schutz vor Überschwemmungen und ungebetenen tierischen Besuchern
Die erhöhte Position bietet nicht nur Schutz vor Überschwemmungen und ungebetenen tierischen Besuchern, sondern sorgt auch für eine natürliche Klimaanlage. Der leichte Wind, der durch die Baumkronen streicht, hält die manchmal etwas erdrückende Hitze in Schach.
Eines der Baumhäuser im Serenity Tree House in Port Olry, Insel Santu.
Auf meine Fragen, wie alt die Bäume seien, antwortet die stets gut gelaunte Besitzern Angelica lachend: „Ach, ich weiß nicht, die sind schon mein ganzes Leben so groß, hahaha!“. Überhaupt Angelica. Was für eine Frau, was für eine unbändige Frohnatur. Es scheint mir, als suche sie in jedem Gespräch Anlass zum Lachen. Aber Angelica ist einfach ein anlasslos und ganz natürlich froher Mensch! Sie sagt: „Das ist mein Zuhause, das ist meine Insel. Ich liebe es. Hahaha!“ Sie ist umwerfend.
Im Schatten der Bäume legen wir Rast ein
Jean-Marc, ein lokaler Pferdeführer, bietet uns einen Ritt am Strand an. Gemächlich traben wir, vor uns nur der weiße Sand, türkises Wasser, Wind – und eine wenige Meter breite Landzunge, auf der wir jetzt bei Ebbe trockenen Hufes eine kleine Insel erreichen. Im Schatten der Bäume legen wir Rast ein.
Reitausflug mit Pferdeführer Jean-Marc am Strand von Port Olry.
Die untergehende Sonne taucht den weißen Sand in goldenes Licht. In diesem Moment wissen wir: Santo birgt weit mehr als nur Naturwunder – es offenbart eine Lebensweise im Einklang mit der Umwelt, die in unserer hektischen Heimatwelt abhanden gekommen ist. Ja, hier sind wir wahrlich an einem Ende der Welt. Weit weg von Hast, Not, Terminen, Rastlosigkeit, Eitelkeit. Hier ist er: einer der Nullpunkte der Welt. Was für ein Traum.
Vanuatu hat die höchste Sprachendichte pro Einwohner weltweit
Auf dem Rückweg zum Boot sinnieren wir mit Jean-Marc über die 110 verschiedenen Sprachen, die auf den 67 bewohnten Inseln Vanuatus gesprochen werden – die höchste Sprachendichte pro Einwohner weltweit. Inseln, Buchten und Dörfer im Archipel Vanuatus waren über Jahrtausende isoliert, wodurch sich dort eigene Sprachen entwickeln konnten. Da die Menschen dort alles hatten, was sie zum Leben brauchten, gab es kaum Berührungspunkte mit anderen Gemeinschaften. Trotz der heutigen Hauptsprachen Bislama, Englisch und Französisch hat sich eine einzigartige Sprachenvielfalt erhalten. So beheimatet Espiritu Santo heute noch etwa 30 verschiedene Sprachen. Einige davon werden nur noch von sehr wenigen gesprochen und sind daher vom Aussterben bedroht.
Blick auf die Ostküste der Insel Santu, südlich von Port Olry.
Die verborgene Felsenwelt der Millennium-Höhle
Die Straße zum Dorf Nambel schlängelt sich durch ein Meer aus sattgrüner Vegetation. Wilder Wein überwuchert fast alle Pflanzen an den Straßenrändern, dazwischen Engelstrompeten, Mimosen-Büsche und Kava-Plantagen. Riesige Banyan-Bäume recken ihre knorrigen Arme in den Himmel, ihre Luftwurzeln hängen wie verdrehte Seile zur Erde. Unser Fahrer Tony Andikar nimmt zwischendurch immer wieder Dorfbewohner vom Wegesrand auf dem Pickup mit. Wenn sie aussteigen wollen, klopfen sie aufs Dach und drücken ihm ein paar Münzen in die Hand.
„Mein Bruder Samuel hat die Höhle im Jahr 2000 entdeckt“
„Mein Bruder Samuel hat die Höhle im Jahr 2000 entdeckt, daher auch der Name“, erzählt Tony stolz, während wir über schmatzenden Waldboden stapfen. Dann senkt sich seine Stimme: „Leider ist er letztes Jahr gestorben. Seitdem mach‘ ich die meisten Führungen.“ Der 34-jährige Guide, der mit sechs Schwestern und sechs Brüdern aufgewachsen ist, hat seine Kinder Natalie und Isaac dabei – neun und elf Jahre alt, barfuß und behände wie Berggämsen.
Insel Santu: Auf dem Weg zur Millennium-Höhle sind rutschige wie abschüssige Schlüsselstellen durch Holzstufen gesichert.
Der Wald um uns herum ist ein botanisches Wunderland. Orthosiphon aristatus, auch Katzenbart genannt, streckt seine weißlichen Lippenblüten mit Staubfäden wie Antennen durchs Dickicht. Daneben leuchten wachsartige, scharlachrote Helikonienblüten. Und auch der magentafarbene Zieringwer, dessen Saft traditionell als natürliches Shampoo dient, säumt unseren Weg. Auf Holzstufen überwinden wir steile und matschige Passagen.
Vor dem Eingang der Höhle nimmt Tony eine Zeremonie vor
Vor dem Eingang der Höhle nimmt Tony eine Zeremonie vor: Mit natürlichen Pigmenten zeichnet er dunkelrotbraune Streifen in unsere Gesichter. „Dies zeigt Respekt vor den Geistern der Höhle und bittet um ihren Schutz“, erklärt er mit ernster Miene.
Insel Santu: Vor dem Eingang der Millennium-Höhle nimmt unser Guide Tony eine einfache Gesichtsbemalungs-Zeremonie vor. Damit wird Respekt vor den Geistern der Höhle ausgedrückt und um ihren Schutz gebeten.
Die Millennium Cave empfängt uns mit modrigem Geruch. Die Felsen im Eingangsbereich sind mit einer weichen, stinkenden Schicht bedeckt – Fledermausdung! Im Schein der Stirnlampen setzen wir behutsam jeden Schritt zwischen die glitschigen Steine im kniehohen Fluss, der sich durch die Höhle schlängelt.
„Jetzt kommt der abenteuerliche Teil!“
Am Ende der 90-minütigen Durchquerung des Wunderwerks aus hoch aufragenden, teils glattgeschliffenen, teils rau strukturierten Wänden, packen wir unsere Fotoausrüstung in wasserdichte Säcke. Dann schwimmen wir dem Tageslicht am Höhlenausgang entgegen. Auf einem Felsvorsprung verschnaufen wir, wringen durchnässte Kleidung aus, stärken uns mit Kuchen und Müsliriegeln. Tony grinst: „Jetzt kommt der abenteuerliche Teil!“
Insel Santu: Ganz allein durchsteifen wir zu fünft die Millenniums Höhle. Die Felsenstrukturen und die bis zu 50 Meter hohe Höhlendecke begeistern uns.
Es folgt ein wilder Tanz über, unter und zwischen bis zu zehn Meter hohen Felsungetümen. Brisante Stellen sind mit Stahlseilen gesichert. Wie Akrobaten hangeln wir uns durch die Klamm, übersteigen riesige Baumstämme, zwängen uns durch Felsnischen und kühlen unsere Körper unter Wasserfällen. Die letzte Stunde lassen wir uns vom Fluss durch die Schlucht treiben.
Ein leichtes Kribbeln auf der Zunge und eine angenehme Wärme breiten sich in mir aus
Dann steigen wir erschöpft ans Ufer erreichen eine Stunde später das Ausgangsdorf. Dort reicht uns ein älterer Mann eine hölzerne Schale mit Kava, jenem lehmfarbenen Getränk, das aus der Wurzel der gleichnamigen Pflanze gewonnen wird. „Drei Schlucke“, instruiert er, „dann wirst du Teil von Santo.“ Ich nehme ein großes Glas zu mir. Ein leichtes Kribbeln auf der Zunge und eine angenehme Wärme breiten sich in mir aus. Nach wenigen Minuten fällt mir das Artikulieren schwer. Ein leichter Schleier umhüllt mein Gemüt. Annette tollt mit den Dorfkindern herumtollt. Ich betrachte stumm die Abendsonne – sie taucht den Dschungel in flüssiges Gold.
Insel Santu: Kleine Pause unterm Wasserfall.
Sanma-Fest – Gemeinschaft feiern
„Welcher Teil von Australien ist das?“, fragt Marie, als wir ihr erklären, dass wir aus Deutschland kommen. Die herzensgut lächelnde Siebenfachmutter hat Annette und mich zum Essen in ihre einfache Hütte eingeladen. Vor uns dampfen Reis, Omelette und gebackene Bananen mit karamellisierten Zwiebeln.
„Eine Festivität, die fünfzehn Tage dauert“
Raymond, unser Guide für den Tag, hatte uns kurzerhand zum Sanma-Festival mitgenommen: „Eine Festivität, die fünfzehn Tage dauert, aber nur auf den Inseln Santo und Malo stattfindet.“ Der Name ist eine Verschmelzung der Inselnamen und steht so für ein Zusammengehörigkeitsgefühl.
Marie, die während der Sanma-Feierlichkeiten im Tyrannus Mission Centre (Insel Santu) zum Essen einlädt.
Wir schlendern über den Festplatz und beobachten etwa fünfhundert Menschen, die sich zwischen den Hütten tummeln, die nur für das Festival errichtet wurden. An Kochstellen steigen Schwaden empor, Frauen bereiten dort lachend Speisen zu. Hühnerfamilien scharren futtersuchend zwischen den Beinen der Feiernden. Kinder mit leuchtenden Augen knabbern übergroße Taro-Chips.
Was uns auffällt ist wieder das, was man nicht sieht
Auf dem Fußballfeld wetteifern zwei Männermannschaften um die Ehre ihres Heimatortes. Direkt daneben liefern sich Frauen ein intensives Volleyballmatch, ebenfalls angefeuert von Umherstehenden.
Was uns auffällt ist wieder das, was man nicht sieht: Niemand starrt auf Displays, kein Handy plärrt, keine Lautsprecher tröten. Man freut sich mit den Sportlern, kommentiert, tauscht sich aus, lacht!
Besucher der Sanma-Feierlichkeiten in einem Dorf außerhalb von Luganville, Insel Santu.
„Wenn du drei Sachen gemacht hast, dann hast du genug für den Tag getan. Dann gehe raus und sprich mit den Nachbarn.“ Diese Philosophie Vanuatus erfuhr ich bereits von einem älteren amerikanischen Missionar. Nun übersetzt Raymond das Motto des Festes Yumi tugeta, yumi strong . Es ist Bislama und heißt: Du und ich, zusammen sind wir stark. Langsam verstehen wir, was die Ni-Vanuatu zu einem der glücklichsten Völker der Welt macht: Es ist die Einfachheit des Miteinanders, der Zusammenhalt der Gemeinschaft.
„Go with the flow“
Tanna und sein feuriges Herz
Die betagte Twin Otter landet auf der schmalen Asphaltpiste des Flughafens White Grass, Insel Tanna. Auch hier keine Hektik, keine Eile, nur ein kollektives „Go with the flow“, was so viel heißt Alles kann passieren. Fragt sich nur, ob und wann.
Die Ascheebenen rund um den Vulkan Yasur auf der Insel Tanna in Vanuatu sind surreal, windig und mit Schwefel in der Luft.
Auch diese Grundhaltung zieht sich durch alle Fasern der Gesellschaft. Eine halbe Stunde später sitzen wir im Pickup. Als wir dann über eine löchrige Piste holpern, meckert Fahrer Tony über keines der Schlaglöcher, sondern freut über die dancing road – die tanzende Straße.
„Das ist Gemeinschaft. Sie ist wichtig. Dafür leben wir.“
„Wir beschweren uns nicht. Auch nicht, wenn die Zyklonen uns eine harte Zeit bescheren”, erzählt Tony. „Nach der letzten Zyklone befahl unser Clanchef: Zuerst repariert Ihr das Haus der Witwe. Und dann das der Großfamilie. Das ist Gemeinschaft. Sie ist wichtig. Dafür leben wir.“
Auf dem Weg zum Vulkan Yazur muss mitten in der Ascheebene der Fluss Imayo durchfahren werden.
Das Landschaftsbild verändert sich. Dicht bewachsene Hänge weichen einer dunkelgrauen Staubebene. „Willkommen auf dem Mars!“, lacht Tony und zeigt über eine surreale Mondlandschaft hinweg in der Ferne auf einen der aktivsten Vulkane der Welt, den Yasur.
Was für eine Urkraft der Natur!
Unsere Unterkunft, ein rustikales Baumhaus, liegt am Fuß des Vulkans. Etwa jede Viertelstunde durchbricht ein tiefes Grollen die Stille – der konstante Herzschlag des Berges. Der Abend bricht langsam herein und wir fahren wir Autos bis etwa zweihundert Meter unterhalb des Kraterrands. Dann noch eine Treppe aufwärts – und schon staunen wir über Lavafontänen, die eindrucksvoll aufsprühen und in der zunehmenden Dunkelheit immer klarer leuchten. Was für eine Urkraft der Natur!
Annette wandert über die Ascheebene am Vulkan Yasur, Insel Tanna.
Tanz mit Geistern
Der Duft feuchter Erde und fermentiertem Taro erfüllt den Platz. In einer Ecke sitzen mehrere Frauen auf geflochtenen Matten und bereiten Laplap zu – das Nationalgericht Vanuatus. Sie reiben Taro-Wurzeln auf Korallensteinen, die weiße Paste vermischen sie mit Kokosmilch und wickeln alles sorgfältig in Bananenblätter.
„Diese Tänze sind unser Geschichtsbuch“
Auf dem zentralen Platz des Imaio Dorfes versammeln sich Männer und Frauen für einen Kastom-Tanz. Auch Kinder mischen sich dazu. Mit stampfenden Füßen und rhythmischen Bewegungen erzählen sie die Geschichte des Yasur. Er sei von mächtigen Geistern bewohnt, die ihre Launen als Eruptionen äußern.
„Diese Tänze sind unser Geschichtsbuch“, sagt John, einer der Männer. „Die Bewegungen und der Rhythmus erzählt auch von unseren Ahnen und ihren Begegnungen mit dem Berg.“
Frauen des Dorfes Imaio während einer Kastom-Tanzaufführung, im Hintergrund der rauchende Vulkan Yazur.
Dann kosten wir dampfendes Laplap. Der subtile, erdige Geschmack der Taro-Knollen überrascht, dann umschmeichelt süßliche Kokosmilch die nussige Note.
Wir verlassen das Imaio Village am späten Morgen. In meinen Gedanken tanzen lange noch bemalte Männer und Frauen, lachen Kinder und dampft der Yasur, der alles zu beobachten scheint.
„We only take our happiness serious“
Ich bewundere die Ni-Vanuatu. Und ich bewundere ihr gelebtes Bekenntnis zur Einfachheit. Obwohl sie aufgrund desaströser Zyklonen zu den am meisten vom Klimawandel betroffenen Nationen gehören, zählen sie zu den glücklichsten Menschen der Welt. Sie leben im Hier und Jetzt, lassen sich nicht von Sorgen über das Morgen lähmen und genießen die Zeit miteinander. Oder wie es Jeremy vom Tourismusbüro erklärte: „We only take our happiness serious“.
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