Interview mit Vulkanologen

„Irgendwann wird La Réunion verschwinden“

4. November 2022
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Kategorien: Alle | La Réunion | Logbuch
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Geologe Christoph Kindler in einer Vulkanhöhle am Vulkan Piton de la Fournaise.
Geologe Christoph Kindler in einer Vulkanhöhle am Vulkan Piton de la Fournaise.
5 Min. Während meiner La Réunion-Reise sprach ich mit Philippe Kowalski, dem stellvertretenden Direktor des Vulkanobservatoriums am Piton de la Fournaise.

MC: Bitte beschreiben Sie Ihre Arbeit.

Kowalski: Wir beobachten den Vulkan Piton de la Fournaise und einen weiteren auf der Insel La Mayotte. Wir messen dort verschiedene Daten in Realzeit. Dazu sind wir Tag und Nacht aktiv.

MC: Wie früh bzw. genau können Sie einen Ausbruch vorhersagen?

Kowalski: Wir können messen, wenn sich der Vulkan neu mit Magma befüllt, wie er wächst, ob Risse im Vulkan entstehen und ob Magma an die Oberfläche steigt. Wir liefern jedoch nur Beobachtungen, keine Vorhersagen.

An manchen Orten verschiebt sich der Boden pro Jahr um 2 Meter.

MC: Wie messen Sie?

Kowalski: Wir haben viele Detektoren. Das System nennt sich GNSS (Global Navigation Satellite System) und ist mit GPS vergleichbar. Wir messen die Position vieler Detektoren, die über den Vulkan verteilt sind. Wenn der Druck zunimmt, dehnen sich die Messpunkte aus, die Meßgenauigkeit beträgt wenige Millimeter. Wir messen auch an anderen Orten der Insel. An manchen Orten, z.B. nahe Salazie, verschieben sich die GPS-Punkte um bis zu zwei Meter pro Jahr. Dort können Sie auf der Straße Stufen bzw. Falten entdecken. Das sind Signaturen eines Erdrutsches, der sich schleichend ereignet. Deswegen wird die Straße fortlaufend repariert.

Philippe Kowalski, stellvertretender Direktor des Vulkanobservatoriums La Réunion, in seinem Arbeitszimmer.

MC: Während der großen Eruption 2007 floss viel Lava ins Meer. Welche Folgen hatte das?

Kowalski: Die Lava erhitzte das Wasser schlagartig – bis in mehrere hundert Meter Tiefe. Viele Fische gerieten in Panik, stiegen zu schnell auf, wodurch sich Luftbläschen in den Venen bildeten und die Fische verendeten.

Durch die Reaktion von Wasserstoff, Kohlenstoff und Chlor entstand zudem Salzsäure. Es bildeten sich Salzsäurewolken, aus denen saurer Regen auf die Insel fiel. Menschen fühlten es als Juckreiz auf der Haut, Stahldächer wurden beschädigt und ein Wald bei Saint-Philippe verfärbte sich braun.

Wir wissen nur sehr wenig über das, was im Innern der Erde vor sich geht.

MC: Was begeistert Sie am Vulkanismus?

Kowalski: Geologie ist etwas, was sehr sehr langsam geschieht. Innerhalb unseres Lebens können wir kaum große Entwicklungen sehen. Aber hier, in Vulkanen, passieren Prozesse manchmal in Minuten oder Sekunden. Dabei können wir zusehen und das macht es besonders. Wir leben auf der Erdoberfläche, wissen aber nur sehr wenig über das, was im Innern der Erde vor sich geht. Vulkanismus macht die Innenwelt etwas sichtbarer.

Der Piton de la Fournaise (Hintergrund) zählt zu den aktivsten Vulkanen der Welt. Mit einem Ausbruch ist jederzeit zu rechnen.

MC: Wie sieht die geologische Zukunft der Insel aus?

Kowalski: La Réunion wird aufgrund der Erosion allmählich niedriger, doch die Lagune um die Insel wächst. In ein paar hunderttausend Jahren wird es hier wie in Mauritius aussehen. Noch später wie auf den Malediven. Irgendwann wird La Réunion verschwinden. Dann wird es hier nur noch Riffe geben.

Irgendwann wird La Réunion verschwinden. Dann wird es hier nur noch Riffe geben.

MC: Haben Sie noch einen Geheimtipp für Vulkanfans?

Kowalski: Ich empfehle, auf den Gipfel des Piton de la Fournaise zu verzichten. Auf dem Weg in Richtung Pas-de-Bellecombe gibt es auf der rechten Seite einen Pass. Dieser führt zum Ort eines kürzlichen Ausbruchs. Dort kann man völlig andere Farben und Formen entdecken.

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