Überirdisch, unterirdisch - ein Land mit zwei Welten

Slowenien ‑ Seen, Schluchten, Sinnesrausch

15. September 2025
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32 Min.
Zwischen jahrtausendealten Stalaktiten und Stalagmiten navigiert Höhlenguide Gašper Modic mit seinem Boot durch die kristallklaren Gewässer der Križna-Höhle - die konstante Wassertemperatur von 8 Grad Celsius macht diese Unterwelt zu einem einzigartigen Ökosystem.
Zwischen jahrtausendealten Stalaktiten und Stalagmiten navigiert Höhlenguide Gašper Modic mit seinem Boot durch die kristallklaren Gewässer der Križna-Höhle - die konstante Wassertemperatur von 8 Grad Celsius macht diese Unterwelt zu einem einzigartigen Ökosystem.
32 Min.Cremefarbene Törtchen, goldgelber Moja-Wein, türkis leuchtende Seen – Slowenien glänzt überall. Tief im Karst hocken Grottenolme in bizarren Tropfsteinhallen; gleich daneben zieht Europas größter unterirdischer Canyon Besucher in seinen Bann.

Erschienen in:

Deutschlands größtes Naturreise-Magazin
12 Seiten | Text & Fotos

Bled – Perle der Julischen Alpen

„Siehst du die Burg da oben?“, fragt Annette und deutet auf den 139 Meter hohen Kalksteinfelsen, auf dem die mittelalterliche Festung thront wie ein steinerner Wächter über dem Bleder See.

Der Bootsführer rudert uns schweigend übers Wasser

Am Bootssteg wartet bereits ein pletna, eines jener traditionellen Holzruderboote, die seit Jahrhunderten die größte Insel Sloweniens ansteuern. Der Bootsführer rudert uns schweigend übers Wasser. Rechts und links passieren wir gepflegte Seevillen aus der Belle-Époque-Zeit, deren klassizistische Fassaden zwischen Kastanien und Linden hindurchleuchten. Nach zehn Minuten erreichen wir die 2.000 Quadratmeter große Insel, die bereits in prähistorischer Zeit besiedelt war.

Wie ein Gemälde der Romantik breitet sich der Bleder See zwischen den bewaldeten Hügeln der Julischen Alpen aus – in seiner Mitte die märchenhaft anmutende Insel mit der barocken Marienkirche, ein Motiv, das seit Jahrhunderten viele Menschen verzaubert.

99 Stufen führen hinauf zur barocken Marienkirche, deren Geschichte bis ins Jahr 1142 zurückreicht. Annette läutet die berühmte Glocke – 1534 von Franciscus Patavinus in Padua gegossen, soll sie einer Legende nach jeden Wunsch erfüllen.

Nach 30 Minuten schweißtreibenden Aufstiegs erreichen wir den oberen Hof

Die Rückfahrt bringt uns zum Fuß der Burg Bled, der ältesten Festung Sloweniens. Ein steiler Waldpfad windet sich durch Buchen und Kastanien hinauf zum Plateau. Nach 30 Minuten schweißtreibenden Aufstiegs erreichen wir den oberen Hof.

Durch das sattgrüne Blätterdach von Kastanien und Buchen schimmert die klassizistische Villa Bled – einst Sommerresidenz des Präsidenten, heute luxuriöses Hotel am Ufer des smaragdfarbenen Gletschersees.

Dann offenbart sich der wahre Schatz der Burg an der südlichen Bastionsmauer: Ein atemberaubender Panoramablick über den See, bewaldete Hügel und die Gipfel der Julischen Alpen.

„Jetzt fehlt nur noch eins“, sagt Annette grinsend, als wir wieder am Seeufer ankommen und sie zieht mich in eines der vielen Cafés am See.

Ein süßer Abschluss eines wundervollen Tages am See

Dann landet ein Teller mit einer Berühmtheit auf unserem Tisch: Die Bleder Cremeschnitte. Die goldbraune Blätterteigkreation mit samtiger Vanillecreme und puderzuckerbestäubtem Deckel schmilzt auf unseren Zungen – ein süßer Abschluss eines wundervollen Tages am See.

Die Bleder Cremeschnitte, eine himmlische wie kalorienreiche Kombination aus zartem Blätterteig, samtig-leichter Vanillecreme und einer Haube aus luftigem Eischnee, präsentiert sich als kulinarisches Wahrzeichen des Bleder Sees.

Durch wilde Schluchten und Quellen

„Steinschlag!“, mahnt Annette und deutet auf die Warnschilder am Eingang der Vintgar-Schlucht. Während wir uns die Schutzhelme aufsetzen, steigt uns der Duft von Bärlauch in die Nase. Nur Minuten später gleiten wir über erste Holzstege, die sich zwischen haushohen Kalksteinfelsen hindurchschlängeln.

Dann öffnet sich ein geologisches Meisterwerk

Vogelgezwitscher erfüllt die feuchte Luft – an einer Stelle höre ich vier verschiedenen Arten. Dann öffnet sich ein geologisches Meisterwerk: Die smaragdgrüne Radovna tobt über glattpolierte Terrassen durch die 1,6 Kilometer lange Schlucht, die zwischen den Hügeln Hom und Boršt von Wassermassen ausgewaschen wurde.

Durch die wildromantische Vintgar-Schlucht tobt die smaragdgrüne Radovna über glattpolierte Kalksteinterrassen.

Der erste Teil erweist sich wegen der wilden Stromschnellen als der spektakulärste. Wilde Erdbeeren säumen die Holzwege, ebenso unzählige Teufelskrallen, deren violette Blütentürme wie Fabelwesen aus dem moosigen Unterholz ragen.

Mehr als 600 Pflanzenarten gedeihen in dieser Schlucht

Wir entdecken auch Blüten der Alpen-Pestwurz, die wie zarte Federbälle im sanften Licht schweben. Mehr als 600 Pflanzenarten gedeihen in dieser Schlucht.

Nach einer Stunde erreichen wir den 13 Meter hohen Wasserfall Šum, wo die Radovna tosend in die Tiefe stürzt. Nach einer weiteren Stunde durch dunklen Wald sind wir wieder am Ausgangspunkt.

Wie silberne Federbälle schweben die zarten Samenstände der Alpen-Pestwurz (Petasites paradoxus) im sanften Licht der Martuljek-Schlucht.

Wenige Kilometer entfernt liegt das Naturreservat Zelenci im Save-Tal. Hier sprudelt kristallklares Thermalwasser mit konstanten 5,5 Grad aus dem Kalkstein unter einem türkisfarbenen Teich und bildet den Beginn der 947 Kilometer langen Sava.

„Ich kenne nichts Schöneres in Europa!“

Der berühmte englische Wissenschaftler Sir Humphry Davy schrieb im 19. Jahrhundert über Zelenci: „Ich kenne nichts Schöneres in Europa!“

Die Martuljek-Wasserfälle schließlich offenbaren sich als verstecktes Amphitheater der Julischen Alpen.

Zwischen rosafarbenem Dolomitgestein tanzt die smaragdgrüne Martuljek durch ihr wildes Flussbett.

Guide Alenka führt uns zu den wilden Kaskaden, wo das Schmelzwasser über hohe Kalksteinterrassen in die Tiefe stürzt. „Übrigens, Slowenien ist Europas Champion der Biodiversität“, verrät sie uns, „Mit etwa 24.000 Pflanzen- und Tierarten und mehr als ein Viertel davon endemisch.“

Alenka deutet auf die Bäume ringsum

Ein Steinadler segelt hoch über den Graten, während am Wasser eine Bachstelze hüpft.

Alenka deutet auf die Bäume ringsum: „Holzschuhe schnitzte man aus solchen Buchen- oder Birkenhölzern. Korbwaren flocht man aus Weidenruten. Eine Babywiege enthielt bis zu sechs verschiedene Hölzer.“

Durch dieses Kalksteinportal der Martuljek-Schlucht öffnet sich der Blick auf die türkisfarbene Radovna – ein geologisches Meisterwerk aus Jahrtausenden der Erosion.

Sie fährt fort: „Buchenlauge reinigte Geschirr und Böden. Lindenholz formte Löffel und Spinnräder, aus Esche entstanden Ski und Wagenräder. Jeder Baum, jede Pflanze hatte ihren Zweck. Unsere Vorfahren lasen die Natur wie ein Lehrbuch, kannten fast alle Pilze, Pflanzen, Hölzer. Der Wald war gleichsam Baumarkt, Werkstätte und Apotheke – ein geschlossener Kreislauf ohne Abfall.“

Annette und ich lauschen gebannt Alenkas Worten

Annette und ich lauschen gebannt Alenkas Worten. Was für eine Weisheit, denken wir beide. Jahrhundertelang lebten Menschen, ohne zu wissen, wie wir es heute nennen: Nachhaltig.

Wie ein märchenhafter Blütenturm erhebt sich eine Teufelskralle (Phyteuma) aus dem feuchten Unterholz der Vintgar-Schlucht.

Radtour mit Weinprobe

Die E-Bikes surren leise über  die sanften Hügel der Brda, während sich vor uns ein Panorama ausbreitet, das an die Toskana erinnert.

Auf wenig befahrenen Straßen erklimmen wir mühelos Höhenmeter

Wir gleiten vorbei an üppig blühenden Rosenstöcken und terrassierten Weinbergen, die sich wie ein grüner Teppich bis zum Horizont erstrecken.

Auf wenig befahrenen Straßen erklimmen wir mühelos Höhenmeter, die wir zu den malerischen und hervorragend erhaltenen Dörfern zurücklegen müssen.

Auf einem alten Eichenfass versammeln sich die edlen Tropfen der Brda-Winzer – von mineralischen Sauvignon Blancs bis zu eleganten Chardonnays spiegelt jede Flasche das einzigartige Mikroklima – und wohl auch den Durst – dieser slowenischen Weinregion wider.

 

Wir erreichen das Weingut von Patrick Simčič. Der gastfreundliche Winzer bewirtschaftet in seiner Heimatregion Biljana in vierter Generation 11 Hektar Weinberge. „Für jede Rebsorte haben wir einen speziellen Platz im Weinberg“, erklärt Patrick, während er uns seinen goldgelben Moja einschenkt.

Der Wein entfaltet sich samtig auf meiner Zunge

Im Glas schwenke ich die bernsteinfarbene Flüssigkeit gegen den endlosen Himmel. Der Wein entfaltet sich samtig auf meiner Zunge – mineralisch, elegant, mit einer vibrierenden Säure, die von den sandigen Tonmergel-Böden herrührt.

Insel Santu: Vor dem Eingang der Millennium-Höhle nimmt unser Guide Tony eine einfache Gesichtsbemalungs-Zeremonie vor. Damit wird Respekt vor den Geistern der Höhle ausgedrückt und um ihren Schutz gebeten.

Patrick betont: „Meine Philosophie ist es, geschmackvolle, fruchtige Weine voller Harmonie zu produzieren. Sie sollen ermutigen, nach dem ersten Glas gleich ein weiteres zu trinken.“ Das ihm das gelingt, davon zeugen auch zahllose gerahmten Auszeichnungen im lichtdurchfluteten Showroom.

Die Zeit scheint stillzustehen

Die Zeit scheint stillzustehen, während wir auf der Terrasse sitzen, ein weiteres Glas zu uns nehmen und über eine Kulturlandschaft blicken, in der slowenische Winzertradition und mediterrane Lebensart verschmelzen. Wir können gut verstehen, warum die Brda als Kornkammer, die fast das ganze Jahr über Früchte trägt, auch einst österreichische Kaiser begeisterte.

Üppig blühende Rosenstöcke, wenig Verkehr auf den Gassen, herrliche Weitblicke – viele Dörfer der Brda-Region sind wunderbare Ausflugsziele für Radfahrer.

50 Schattierungen kulinarischer Kunst

Es regnet in Strömen, als wir das Hiša Franko erreichen. Dank der Schirme, die uns Ioannis Chitzios, der Comis of front of the house, noch im Auto überreicht, betreten wir das Restaurant trocken.

Mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet

Als erste slowenische Gaststätte wurde Ana Roš‘ Restaurant 2023 mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet – ein märchenhafter Aufstieg für die Autodidaktin, die ohne Kochausbildung das Wirtshaus ihrer Schwiegereltern übernahm.

Aus dem Menü ’50 Shades Of Red‘ des preisgekrönten Restaurants Hiša Franko in Kobarid: Dieser Gang nennt sich ‚Frühlingsernte‘.

‚50 Shades of Red‘ – 16 Gänge stehen uns bevor, jedes Gericht in einem anderen, handgemachten Gefäß serviert. Während aus den Lautsprechern leise Al Greens Simply Beautiful erklingt, reicht uns der Kellner in floraler Uniform eine Schale mit sattgrünem Moos.

Genau darum geht es: ums Erleben

„Den Wald erleben“, lächelt er mild. Genau darum geht es: ums Erleben. Das in Blattgemüse eingehüllte Wachtelei mit Alpenkaviar zerschmilzt samtig auf der Zunge, gefolgt von der kunstvoll arrangierten Frühlingsernte  – einem Gedicht aus regionalen Wildkräutern, Gemüse und essbaren Blüten.

Nach drei Stunden Gaumenzauber im sagenhaften Hiša Franko fühlen Annette und ich uns unglaublich dankbar, demütig und beschenkt – auch Dank Ioannis Chitzios (Mitte), dem ‚Comis of front of the house‘ des Drei-Sterne-Restaurants.

Alle Zutaten sind regional und saisonal, viele aus dem eigenen Garten hinterm Haus. Nur der österreichische Alpenkaviar durchbricht die Regel.

Wir fühlen uns unglaublich dankbar, demütig und beschenkt

An einem der insgesamt sieben Holztische geraten Annette und ich immer mehr aus dem Häuschen angesichts dieser noch nie erlebten Geschmackszauber. Nach drei Stunden fühlen wir uns unglaublich dankbar, demütig und beschenkt.

Einer der insgesamt neun lokalen Weine, die mir während des 16-Gänge-Menüs kredenzt werden.

Auf den Spuren der Waldbären

Die zwanzigminütige Fahrt zur Hütte wird zur Odyssee: Temperatursturz um elf auf acht Grad kündigt. Hagel und Gewitter. Links und rechts der Straße sammelt sich das Wasser, beim Durchfahren spritzt es zwei Meter hoch. Und in der spartanischen Holzhütte im Wald von Markovec sollte es aufregend weitergehen.

Ein junger Braunbär blickt vorbei

Dort angekommen, blickt nach kurzer Wartezeit ein junger Braunbär mit wachsamen Augen knapp an unserem Versteck vorbei. Im Regen wandelt er durch sein Revier, wir beobachten jede seiner Bewegungen aus sicherer Entfernung.

Mit wachsamen Augen blickt ein junger Braunbär nur knapp an unserem Versteck vorbei. Slowenien beheimatet eine der stabilsten Bärenpopulationen Europas mit etwa 1.000 Tieren, die in den dichten Wäldern der Julischen Alpen und des Dinarischen Gebirges leben.

Wildhüter locken die Allesfresser mit knapp bemessenem Mais an Beobachtungsplätze. Dann erscheint die Mutter des Jungtiers: Eine Bärin mit etwa 300 Kilogramm Lebendgewicht. Jetzt zeigt sie ihre gewaltigen Zähne.

Annette und ich halten den Atem an

Annette und ich halten den Atem an, als das mächtige Tier unweit unseres Verstecks nach Nahrung sucht.

Mit über 900 Braunbären ist Slowenien eines der Länder mit der höchsten Bärendichte weltweit. Die kontrollierte Beobachtung aus sicheren Verstecken ermöglicht einzigartige Einblicke in das Verhalten dieser Respekt einflößenden Waldbewohner.

Im Regen wandelt ein junger Braunbär durch sein Revier nahe Markovec. Die kontrollierte Bärenbeobachtung aus sicheren Verstecken ermöglicht einzigartige Einblicke in das Verhalten dieser beeindruckenden Waldbewohner.

Reise zu den Höhlenbären der Eiszeit

Guide Gašper Modic reicht mir Overall, Gummistiefel und Stirnlampe. Dann betreten wir allein diese einzigartige Wasserhöhle, die als am besten geschützte Höhlen in Slowenien gilt, fast vollkommen naturbelassen und ohne künstliche Beleuchtung. Die 8.273 Meter lange Wasserhöhle beherbergt 22 unterirdische Seen und gilt als eine der schönsten Tropfsteinhöhlen Europas.

Hier haben sich jährlich bis zu 200 Höhlenbären hindurchgezwängt

An einigen der natürlichen hellbraunen Felsbrocken in der ersten Kammer erkenne ich schwarze glattgeriebene Flächen – hier haben sich über 25.000 Jahre hinweg jährlich bis zu 200 Höhlenbären hindurchgezwängt und die Passagen mit ihrem Fell förmlich poliert.

In der Križna Höhle zeugen diese glattpolierten schwarzen Flächen am Kalkstein von jahrtausendelangem Gebrauch – hier haben sich unzählige Höhlenbären mit ihrem Fell entlanggescheuert und dabei glatte Spuren hinterlassen, die nur im geschützten Höhlenklima so konserviert werden konnten.

 

In der Eiszeit lag die Temperatur im Winterschlafquartier – genannt Bärentunnel – der gewaltigen, bis zu 1,5 Tonnen schweren Höhlenbären bei etwa 8 Grad, während draußen bis zu minus vierzig Grad herrschten.

Mit einer konstanten Wassertemperatur von acht Grad Celsius

Jetzt navigiert Gašper sein gelbes Schlauchboot durch die Gewässer mit einer konstanten Wassertemperatur von acht Grad Celsius, vorbei an jahrtausendealten Stalaktiten und Stalagmiten. Die Stille wird nur vom sanften Plätschern seiner Paddel durchbrochen.

Im gelben Schlauchboot gleitet Gašper Modic durch einen der smaragdgrünen Seen der Križna-Höhle – die 8.273 Meter lange Wasserhöhle beherbergt 22 unterirdische Seen und gilt als eine der schönsten Tropfsteinhöhlen Europas.

„Zurzeit haben wir extrem klares Wasser. Überall können wir bis auf den Grund schauen“, erklärt er stolz.

Diese Höhle ist eine unwirkliche Schönheit

Bei den Fotostopps, die wir aufwändig mit vielen Lampen beleuchten, erscheint mir Gašper zwischen den monumentalen Tropfsteinsäulen und uralten Kalkformationen wie ein Wächter der Unterwelt. Diese Höhle ist eine unwirkliche Schönheit, und jeder, der sie besucht, kann heute noch nachempfinden, was frühe Entdecker gefühlt haben mögen.

Wie ein Wächter der Unterwelt steht Gašper Modic zwischen den monumentalen Tropfsteinsäulen der Križna-Höhle. Das smaragdgrüne Wasser zu seinen Füßen reflektiert jahrtausendealte Kalkformationen und erschafft eine Szenerie von unwirklicher Schönheit.

 

Canyon der Ewigkeit

In der monumentalen Mahorčič-Höhle, einem Teil des Škocjan-Höhlensystems, schrumpft Guide Borut Lozej zu einer Miniatur vor titanischen Kalksteinwänden. Tageslicht dringt durch die natürlichen Portale und verwandelt das Felsmassiv in eine Kathedrale aus Licht und Schatten.

Seit 1986 steht das Škocjan System auf der Liste des UNESCO-Weltnaturerbes

Die Höhlen, Gänge, Schächte, natürlichen Brücken und Schlucklöcher von Škocjan wurden vom Fluss Reka geschaffen, der hier im Karstuntergrund verschwindet und erst 39 Kilometer weiter in Triest wieder auftaucht. Seit 1986 steht das Škocjan System auf der Liste des UNESCO-Weltnaturerbes.

Der Reka-Fluss rauscht über geschliffene Kalksteinbänke durch die Tiefen der Škocjan Höhle. Guide Borut Lozej begutachtet ein Becken, welches durch Jahrtausende Wasserkraft und Erosion geformt wurde.

Borut, der seit über 30 Jahren in Höhlen unterwegs ist, berichtet von den ersten abenteuerlichen Entdeckungen der Höhle.

„Die ersten Höhlenforscher kletterten barfuß“

„Die ersten Höhlenforscher kletterten barfuß in den Höhlen herum, hatten Kerzen an provisorischen Helmen. Wegen des lärmenden Flusses und der irritierenden Echos verständigte man sich damals mit Signalhörnern und bestimmten Tonsignalen.“

In der monumentalen Mahorčič-Höhle, einem Teil des Škocjan-Höhlensystems, wird Guide Borut Lozej zur Miniatur vor titanischen Kalksteinwänden. Tageslicht dringt durch die natürlichen Portale und verwandelt die UNESCO-Welterbestätte in eine Kathedrale aus Licht und Schatten.

 

Dann öffnet sich vor uns eine wunderschöne Einsturzdoline. Boruts Zeigefinger malt eine imaginäre Linie: „Von dort oben bis zum Boden beträgt der Höhenunterschied 154 Meter.“

Bald darauf verschluckt uns die Rauschende Höhle

Bald darauf verschluckt uns die Rauschende Höhle. Diese Schlucht, die als größter unterirdischer Canyon Europas gilt, ist der bekannteste Teil der Höhlen von Škocjan.

Wie ein Bergsteiger in den Alpen der Unterwelt steht Guide Borut Lozej auf einem Felsen im unterirdischen Reka-Fluss. Weiter oben illuminieren Lichter auf den Besucherwegen die größte unterirdische Schlucht Europas.

Direkt am Fluss begutachten wir Becken, die durch Jahrtausende von Wasserkraft und Erosion geformt wurden. Dann auf einmal steht Borut auf einem Felsen inmitten der Reka ‑ wie ein Alpinist in den Weiten unterirdischer Berge.

Das Echo unserer Schritte hallt zwischen den Felswänden

Das Echo unserer Schritte hallt zwischen den Felswänden, begleitet von der ewigen Symphonie des Reka-Flusses. Meine Gedanken sind bei den kühnen Entdeckern und wandeln mich vom Besucher zum ehrfürchtigen Pilger.

Zwischen zwei Höhlenabschnitten der Skojan-Höhle bewegt sich mein Guide Borut Lozej (als roten Punkt zu erkennen) auf einem schmalen, in den Fels gehauenen Pfad für Besucher. Einhundert Jahre früher musste man sich hier an Stahlseilen über dem Abgrund in Richtung Höhle entlanghangeln.

Tief verborgene Schönheiten

Mein Stirnlampenlicht tastet Kalksteinwände ab, während ich zwischen bizarren Tropfsteinvorhängen navigiere. Eine Stunde zuvor empfingen mich gleich vier Höhlenforscher: Vid Ursic, Jan Wahl, Kevin Klun und Primož Gnezda.

Tropfsteinzapfen hängen wie versteinerte Zähne von der Decke

Sie rüsteten mich aus und geleiteten mich zur Pivka-Höhle, einem der fünf Eingänge zum spektakulären Postojna-Höhlensystem.

Tropfsteinzapfen hängen wie versteinerte Zähne von der Decke. Die Pivka-Höhle überrascht mit einer Vielzahl bizarrer Dome, Durchgänge und Kammern, die wir fünf mühselig ausleuchten, damit ich diese Dimensionen ablichten kann.

Von links nach rechts: Primoz Gnezda, ich, Jan Wahl, Kevin Klun, Vid Ursic.

Tiefer in der Höhle doppelt ein spiegelglatter See alle Tropfsteinformationen und lässt meine Guides wie Fährleute in einem verborgenen Reich aus Stein und Zeit erscheinen.

„Jährlich werden 500 neue entdeckt.“

„Slowenien hat mehr als 15.000 Höhlen“, erklärt mir Kevin, „Jährlich werden 500 neue entdeckt. Alles, was länger als zehn Meter ist und groß genug, dass Menschen hindurchkriechen können, wird als Höhle bezeichnet.“

Wie ein unterirdischer Ballsaal öffnet sich die Pivka-Höhle vor mir. Das spiegelglatte Wasser verdoppelt alle Tropfsteinformationen, meine Guides erscheinen mir wie Fährleute in einem Reich aus Stein und Zeit.

Die Postojna-Höhle gilt als am besten erforschtes Höhlensystem der Welt. 117 Spezies sind hier beheimatet, sogar Überreste von Nilpferden wurden gefunden.

Die bekanntesten Höhlenbewohner sind die berühmten Grottenolme

Die bekanntesten Höhlenbewohner sind die berühmten Grottenolme. Diese blassen Lurche erreichen Längen von bis zu 35 Zentimetern. Sie können bis zu sieben Jahre ohne Nahrung auskommen und bis zu 100 Jahre alt werden.

Die Grottenolme in der Postojna Cave können ein Alter von bis zu 100 Jahren erreichen (Foto von Nik Jarh, Postojna Cave).

Sloweniens Nationaltier ist blind und leichenblass. Früher glaubten die Bewohner der Region, es seien die Jungen eines Drachen, der in der Höhle von Postojna hauste.

Das macht den Grottenolm zum faszinierendsten Bewohner der Höhle

Ein Tier namens Victor verlor durch den Biss eines Artgenossen im März 2018 ein Teil seines hinteren rechten Beines. Im August 2019 war es wieder vollständig nachgewachsen und funktionsfähig. Diese Regenerationsfähigkeit macht den Grottenolm auch zum faszinierendsten Bewohner der Höhle.

In der Postojna-Höhle (Foto von Iztok Medja, Postojna Cave).

Während ich durch die Gänge der Pivka-Höhle in Richtung Ausgang streife, denke ich an die kaum vorstellbare, jahrmillionenlange Arbeit der Natur.

Das Staunen ist geblieben!

Meine Erkundung der slowenischen Höhlenwelt endet hier, wo sie 1971 als staunender Fünfjähriger begann: in der Postojna-Höhle, bei meinem allerersten Höhlenbesuch überhaupt. Heute, ein halbes Jahrhundert später, stelle ich fest: das Staunen ist geblieben!

In der kathedralenartigen Postojna-Höhle wandelt Annette zwischen jahrmillionealten Stalaktiten und Stalagmiten – die 24 Kilometer lange Tropfsteinhöhle ist eine der größten Karstformationen der Welt und seit 1819 für Touristen zugänglich.

Slowenien, dieses kleine Land zwischen Alpen und Adria, ist eine wahre Schatzkammer der Natur – über wie unter der Erde. Die drei Höhlen, die ich besuchte, zeigten mir eindrucksvoll: Unter der Erde existiert eine zweite Welt, ebenso reich und faszinierend wie die andere. Vielleicht sogar noch geheimnisvoller.

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