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Deutschlands größtes Naturreise-Magazin
12 Seiten | Text & Fotos
Ode an Valparaiso
Unzählige bunte Häuschen dicht an dicht verstreut über die 42 Hügel der Stadt – sie scheinen sich jetzt zu wiegen wie Bauklötzchen auf einer leicht aufgewühlten See. Der Blick von hier, vom Café Galvez über Valparaiso, ist einfach fantastisch und beflügelt unsere Fantasie. Annette und ich deuten mit aufgeregtem ‚Guck mal, da waren wir auch!‘ auf viele wiedererkannte Punkte, als wären wir schon wochenlang unterwegs. Dabei kamen wir erst gestern an.
Neben uns sitzt Felipe und lächelt über unsere Begeisterung. Felipe Narbona Muñoz ist einer der menschlichen Schätze dieser Stadt. Gestern holte er uns in unserer Unterkunft ab und führte uns stundenlang zu Fuß durch zahllose Gassen, ließ uns Treppen hinauf- und wieder hinabsteigen und durch Ecken, Winkel und Nischen streifen.
Valparaiso heißt übersetzt ‚Paradiesgarten‘.
Damit sind wir beim ersten Highlight, welches Valparaiso seinen besonderen Charme verleiht: die legendären ‚Ascensores‘. Diese teilweise über hundert Jahre alten Standseilbahnen bzw. Zahnradbahnen verbinden den oberen mit dem unteren Teil der Stadt. Der ansonsten per Treppe zu bewältigende Höhenunterschied kann mit einem ‚Ascensor‘ bequem in circa eineinhalb Minuten zurückgelegt werden, wobei eine Fahrt umgerechnet etwa 30 Cent kostet. Von den ursprünglich 30 Aufzügen, die zwischen 1883 und 1931 entstanden, sind bereits sieben wieder instandgesetzt.
Valparaiso, übersetzt ‚Paradiesgarten‘, oder Valpo, wie es die Einheimischen nennen, ist ein Labyrinth aus Galerien, Cafés, Restaurants, kleinen Parks, Boutiquen, StreetArt-Kunstwerken und Menschen exzentrischer Couleur und diverser Lebensentwürfe – ein Berlin-Kreuzberg am Pazifik. Felipe berichtet: „Valparaiso war schon immer ein Schmelztiegel. 1536 landeten hier die spanischen Konquistadoren und entwickelten die Stadt zum größten Seehafen Lateinamerikas. Die erste Börse, die erste Telegrafenleitung und die erste Zeitung Chiles wurden hier gegründet.
Unzählige bunte Häuser schmücken die Hügel von Valparaiso und erwecken die Stadt zu einem lebendigen Mosaik.
Der internationale Handel blühte, Kulturen vermischten sich. Deutsche und Briten, dominierend in der Seefahrt von Europa über Kap Horn bis Alaska, machten regelmäßig Halt. Besonders der Hafen war ein Bindeglied zwischen den Ozeanen und ein Ort des kulturellen Austauschs. Man könnte sagen, Valparaiso war eine der ersten Hauptstädte der Globalisierung.“
Valparaiso ist ein durchgehendes Freilichtmuseum. An fast jeder Ecke prangen Wandkunstwerke, ‚mural arts‘, von der Größe einer Kaffeetasse bis zum 20-stöckigen Hochhaus. Dieser herrlich bunte, kecke Flickenteppich ist ein weiteres Wahrzeichen der Stadt. Felipe führt uns ein in die Kunst von Varas Mackenzie, Alianza del Pacifico, USV Kolor Distinto, Magenta Colectivo, Roberto Matta und Inti. Letzterer hat es uns besonders angetan.
Seine Motive strahlen kraftvolle, mystische und zeitlose Präsenz aus.
Intis riesige Porträts bestechen durch kräftige Farben, monochrome Hintergründe und ikonische Symbole wie Blumensträuße, Tiere, Früchte, Totenschädel oder Plastikflaschen. Sein Stil eint traditionelle Elemente mit moderner Street Art. Das herausragende Merkmal ist ein charakteristisch überdimensionierter Kopf ähnlich dem einer Puppe mit Knopfaugen.
Die Motive greifen soziale und politische Themen auf, wie z. B. Umweltschutz, soziale Ungleichheit, Religion oder die Armut der Mapuche, einer indigenen Gruppe Chiles. Diese oft gigantischen Werke mit hohem Wiedererkennungswert erstrecken sich mitunter über ganze Hauswände und strahlen eine kraftvolle, mystische und zeitlose Präsenz aus.
Der auch ‚Standseilbahn‘ genannte „Ascensor Reina Victoria“ aus dem Jahre 1903 – gesehen von der farbenfrohen Avenida Elias.
Felipe ergänzt: „Streetart gibt es hier seit den 1920er Jahren. Richtig aufgelebt ist sie in den 1970er-Jahren, als Künstler nachts viele Motive an die Wände malten, um gegen Pinochet zu protestieren. In amerikanischen Kinofilmen der 80er- und 90er-Jahre wurde viel gesprayt, was die Szene neu belebte. Auch heute kommen jedes Jahr neue Künstler, Ausdrucksformen und Motive hinzu. Die moderneren erkennt man daran, dass sie statt einer Signatur ihren Instagram- oder TikTok-Namen hinterlassen.“
„Diesen Fisch fing Juan Fernandez heute früh im Archipel.“
Lunchtime! Wir essen bei Paula und Lucero im ‚Tres Peces‘. Die Speisekarte listet ausschließlich lokale Meeresfrüchte. Alle Fischer sind persönlich bekannt; ihre Konterfeis hängen an den Wänden. Davor steht ein Weihnachtsbaum mit selbstgenähten Stoff-Fischen anstelle von Kugeln. Erst einmal eine Runde Pisco Sour. Wow! Gleich noch eine. Felipe erklärt: „Pisco hat eine Geschichte, die ins 16. Jahrhundert zurückreicht. Damals war Wein mit hohen Steuern und Beschränkungen belegt. Clevere Kolonisten destillierten daraufhin bestimmte chilenische Trauben zu einem stärkeren und billigeren Branntwein. Salud!“
Derart stimuliert schmeckt das Folgende noch besser: ‚Calugas de Pescado‘, panierte, gebratene Fischstücke mit Knoblauch-Mayonnaise und Koriander. Paula fügt hinzu, auf den Fisch deutend: „Der wurde heute früh von Juan Fernandez aus dem Archipel gefischt.“ Juan fing auch den ‚Merluza Austral‘, einen südlichen Seehecht, der jetzt in unsere Mägen sinkt, begleitet von grünem Blattsalat, Karotten, Gurken und Kirschtomaten.
Kunst überall in den verwinkelten Altstadtgassen Valparaisos, die nur zu Fuß zu erkunden sind.
Meister der Entschleunigung
Wir nähern uns dem Hafen. Felipe führt uns in die ‚Bottilleria y Emporio‘, einen Spirituosengeschäft, wo wir ein lebendes Zeugnis der Stadtgeschichte treffen: Don Renato. Auch mit stolzen 90 Jahren ist er ständig in Bewegung hinter dem Tresen. Die Bottilleria ist ein Kleinod, 1906 von seinem Großvater, einem italienischen Einwanderer, gegründet. Seit seinem 20. Lebensjahr verkauft Renato hier Spirituosen, Süßwaren, Kaffee. Jedes Preisschild ist handgeschrieben. Es ist ein entzückender Tante-Emma-Laden. Bis 2020 begleitete ihn tagein tagaus sein jüngerer Bruder, der tragischerweise der Pandemie zum Opfer fiel.
„Don Renato: Jeder kennt ihn, jeder liebt ihn.“
Vor uns kauft ein Kunde einige Flaschen Wein und mehrere Packungen Kekse. Es dauert, bis Don Renato die Ware auf dem Tresen zusammengesammelt hat. Hochkonzentriert tippt er die Preise aller Artikel in den Taschenrechner ein – nur mit dem von Arthrose gezeichneten Mittelfinger. Nachdem elektronisch alles erfasst ist, folgt die doppelte Buchführung: Alles wird sorgfältig mit einem Stift in ein Notizbuch eingetragen. Zwischendurch schiebt er immer wieder seine Brille zurecht, die am rechten Bügel mit weißem Klebeband geflickt ist. Geduldige, liebevolle Zeitlosigkeit macht sich breit. Eine Oase der Entschleunigung.
Wir kommen mit dem Kunden nach uns ins Gespräch. Der mit Goldkette, Basecap, Sonnenbrille und Sportoutfit gekleidete Mitdreißiger entpuppt sich als Kapitän, er zeigt uns seinen Ausweis. „Don Renato,“ sagt er und nickt, „ja, jeder kennt ihn, jeder liebt ihn. Seitdem ich denken kann, kaufe ich hier. So wie viele.“ Mittlerweile ist Don Renato fertig. Der Kunde verabschiedet sich höflich.
Jetzt dreht Don Renato seinen Kopf zu uns und lächelt. Er ist einfach zum Verlieben. Mich hat die kurze Begegnung mit Don Renato tief berührt. Renato und seine Kunden sind Meister der Geduld, Hingabe und Menschlichkeit. Hier bewahrt sich ein Stück Geschichte inmitten moderner Hektik. Ein Besuch in der ‚Bottilleria y Emporio‘ beim ‚Flaschengeist‘ Don Renato – das ist ein Innehalten, ein kleines Eintauchen in die Seele Chiles.
Don Renato, 90 Jahre, betreibt seinen Tante-Emma-Laden, in dem er vorwiegend Alkoholika verkauft, seit 1953.
Der Verkehrsfrosch
An einer belebten Ampel beobachte ich einen Mann mit Stift und randvoll beschriebenem Notizbuch. Er läuft zwischen den wartenden Bussen und Taxis hin und her und ruft den Fahrern etwas zu. „Das ist ein sapo de micro“, erklärt Felipe, „eine Art menschliches GPS. Den Busfahrern sagt er, ob sie zu früh oder zu spät dran sind. Und den Taxifahrern gibt er Tipps, auf welchen Strecken verspäteter Busse ungeduldige Fahrgäste gewonnen werden können. Dafür erhält er von den Fahrern kleine Trinkgelder.“
Felipe erklärt weiter: „Sapo heißt übersetzt Frosch. Im chilenischen Volksmund bedeutet das, aufgrund der großen Augen des Tieres, ‚sieht sehr viel‘. Es ist einerseits ein Begriff für jemanden, der das Vertrauen anderer missbraucht oder Geheimnisse preisgibt. Ein ‚Sapo‘ kann ein Spitzel oder ein Informant sein. Andererseits bezeichnet es auch solche, die mehr sehen als andere oder lustige Geschichten erzählen.“ Sobald sich auch im öffentlichen Nahverkehr GPS-Technologien durchsetzen, wird dieser Job wohl nicht mehr existieren.
Isla de la Fantasia: Eine Welt aus Rhythmus und Lebensfreude.
Ganz real: Die ‚Insel der Fantasie‘
In der ‚Isla de la Fantasia‘, einem Ausflugslokal ganz am Ende der Sackgasse Quinta de Recreo nahe eines Wasserfalls pulsiert das Herz von Valparaiso. Jeden Sonntag öffnet hier die Familie Arancibia-Nuñez die Pforten und entführt Besucher in eine Welt aus Rhythmus und Lebensfreude. Unter dem halboffenen Dach schmort Fleisch auf dem Barbeque, blühen Geranien, springen Katzen, schillern Libellen. Unter wehenden Chile-Flaggen landen Snacks, Bier, Wein und eine erfrischende Bowle auf Plastiktischdecken mit Blumenmustern.
Im Ausflugslokal ‚Isla de la Fantasia‘ sammelt Trommler und Ein-Mann-Band Sebastian Spenden von Gästen.
Aus den Lautsprechern erklingt nun Bolero, bittersüß. Schmachtend vorgetragen von einem Mittdreißiger mit langen Haaren, aufgeknöpftem Hemd und üppiger Brustbehaarung. Diese ‚Música cebolla‘, übersetzt Zwiebelmusik, berührt die Herzen. Die Hüterinnen der Getränkeausgabe, drei Damen jenseits der Siebzig, beobachten das bunte Treiben mit einem Lächeln.
Wir kommen ins Gespräch mit Sebastian, einem Freund Felipes und leidenschaftliche ‚Ein-Mann-Band‘. Später tanzt er, sich wie ein wilder Derwisch drehend, zwischen den Tischen, auf den Rücken eine große Basstrommel geschnallt, die er mit überlangen Stöcken traktiert.
Köpfe nicken, Finger tippen, Füße klappern
Von seinem rechten Fuss führt eine Leine zu zwei aufeinanderliegenden Becken auf seiner Bassdrum. Im Rhythmus seiner Schritte scheppern sie lautstark. Ein anderer Bekannter verkauft übergroße Druckblätter mit Decimas, poetische Zehnzeiler, die einst als Nachrichtenmedium dienten. Während eine Band spielt, verewigt neben der Bühne ein Maler einen der Musiker in expressionistischem Stil mit Ölfarben auf der Leinwand. Neben uns plaziert sich ein älteres Paar ein, der Mann bestellt eine 1,2 Liter Flasche Rotwein.
Die Musik steigert sich in Intensität, Tempo und Rhythmus. Köpfe nicken, Finger tippen, Füße klappern. Bald kann sich niemand mehr diesem unwiderstehlichen Sog entziehen. Auch Felipe, Annette und mich erfasst ein archaischer Bewegungsdrang. Wir lassen uns von dieser Lebenslust mitreißen und folgen dem Ruf der Sängerin: „Tanzt, Ihr Narren!“
Araukarien-Bäumen erreichen ein hohes Alter, manche Bäume werden 2.000 Jahre alt. Ihre bis zu 14 Zentimeter dicke Rinde macht bis zu 25 % des Stammvolumens und schützt vor Feuer und heißer Asche bei Vulkanausbrüchen.
Nationalpark Conguillio
Zwei Weißhalsibisse tröten uns im Morgengrauen aus dem Schlaf. Eine Stunde später sitzen wir im Jeep unseres Wanderguides Edgardo und steuern zum Ausgangspunkt unserer Wanderung durch eine anthrazitgraue Wüste, in der vereinzelt gelbe Blumen aufblitzen. Am Horizont schneebedeckte Bergmauern und gen Norden freier Blick auf den höchsten Punkt des über 60.000 Hektar großen Conguillio Nationalparks: den 3.245 Meter hohen Vulkan Llaima. Er zählt zu den aktivsten Vulkanen Südamerikas. Bei seinem letzten Ausbruch am Neujahrstag 2008 wuchs er um 20 Meter auf seine jetzige Höhe.
Wir parken das Auto und folgen dem Wanderweg Sierra Nevada. Schon nach wenigen Metern huscht ein ‚Rayadito‘ vorbei, ein etwa spatzengroßer, hübscher Stachelschwanzschlüpfer mit schwarzbraunen Scheitel und orange-ockerfarbenem Streifen von der Stirn bis zum Oberrücken. Leider viel zu schnell für meine Kamera.
„Er trotzt Überschwemmungen, sauren Böden, härtesten Wintern“
Edgardo erklärt eine unscheinbare Pflanze: „Das ist Canelo. Ein Baum, der hier in den Bergen nicht besonders hochwüchsig ist, anderswo kann er 20 Meter hoch schießen. Der Baum ist beeindruckend widerstandsfähig: Er trotzt Überschwemmungen, sauren Böden, härtesten Wintern, weswegen man ihn auch in Feuerland noch findet. Für die Mapuche, die Ureinwohner Chiles, ist der Canelo weit mehr als nur ein Baum. Er ist ihnen heilig, weswegen die Machi, die Mapuche-Schamanen, ihn in Zeremonien verwenden.
Auch in der traditionellen Heilkunde hat Canelo seinen Platz. Seine Rinde ist reich an Vitamin C, Tanninen, antibakteriellen Substanzen, Eisen- und Calciumsalzen. Als Tee hilft er gegen Skorbut, als Badezusatz gegen Rheuma und Kreislaufbeschwerden. Und außerdem vertreibt sein Rauch Schädlinge aus Holzbauten.“
Ein Blauschwanzerdleguan (Liolaemus tenuis). Diese Tiere kommen nur in Chile vor und sind daher endemisch.
Nach etwa zwanzig Minuten erblicken wir unterhalb des Weges den wunderschönen Lago Conguillio. Auch über diesen weiß Edgardo einiges zu berichten: „Dieser See hat eine Fläche von etwa 750 Hektar. Am Ufer brüten Wasservögel in großer Zahl. Im See selbst findet man Regenbogenforellen, Bach- und Braunforellen. Die sind aber eingeführt worden.“ Edgardo zeigt an das Südufer des Sees: „Dort seht ihr Baumarten wie Quila, Coihue-Südbuche, Steife Scheinbeere und natürlich die Araukarien. Viele von denen sind zwischen 400 bis 600 Jahre alt.“
Plötzlich macht es weit über uns: „Trrrrrrrrrr.“
Der Weg wird steiler. Alle paar Minuten machen wir Halt, um über einen türkis-grün schimmernden Blauschwanzerdleguan, einen vier Zentimeter langen Epistomentis pictus, einen Prachtkäfer, einen Magellanämmerling oder eine unseren Weg kreuzende, kleine Tarantel zu staunen. Plötzlich macht es weit über uns: „Trrrrrrrrrr.“ Ein Magellanspecht! Wir erkennen den Vertreter der zweigrößte Spechtart der Welt sofort an seinem knallroten Kopfgefieder. Edgardo fragt uns, warum der Vogel beim Hämmern nie Kopfschmerzen bekommt. Schulterzucken. Die Zunge des Vogels fungiert beim Aufprall mit dem Holz wie ein Airbag und puffert die Wucht vollständig ab.
Wir steigen höher, verlassen die Baumgrenze, stapfen durch den Schnee und werden mit herrlichen Ausblicken auf den Llaima Vulkan, den Conguillo See und die Andenausläufer belohnt. Und, natürlich, auf die Araukarien!
Die Region Araukanien ist nach den Araukarien-Bäumen benannt, die herausragende Merkmale des chilenischen Südens sind.
Chiles Superbaum
Araukarien sind immergrüne Bäume, beheimatet in den Anden Chiles und Argentiniens. Man nennt sie auch Andentanne, Schlangenbaum oder Monkey Puzzle Tree. Letzterer Begriff stammt von einem Briten um 1800. Dieser meinte, selbst für einen Affen sei es eine fast unlösbare Aufgabe, den Baum mit seinen dolchartigen Blättern hochzuklettern. Araukarien erreichen Höhen bis zu 50 Metern und Stammdurchmesser bis 2 Meter. Die 10 bis 14 Zentimeter dicke Rinde bietet Schutz vor Feuer, heißer Asche nach Vulkanausbrüchen und extremer Kälte bis minus 30 Grad. Sie macht bis zu 25 % des Stammvolumens aus.
Einige Exemplare können bis zu 2.000 Jahren alt werden. Die Bäume zählen zu den ältesten Baumfamilien der Welt und wachsen sehr langsam: ihr Jahreshöhenzuwachs beträgt selten mehr als 30 Zentimeter. Besonderes Kennzeichen: Alle Äste stehen waagerecht vom Stamm ab, untere Zweige werden abgeworfen, der untere Teil des Stammes liegt somit frei.
Es schmeckt nach einer Mischung aus Kartoffel, Mandel und Erdnuss.
Die Blütenzapfen können bis zu 200 Samen freigeben. Sie sind bekannt als piñones, ein traditionelles Nahrungsmittel. Der Stamm der Pehuenchen, deren Bezeichnung sich vom Mapuche-Namen des Baumes herleitet, ernährten sich während der Winter in den Bergen früher fast ausschließlich von diesen Samen. Gekocht oder geröstet kann die Schale abgezogen werden, ähnlich wie bei einer Mandel. Sie schmecken nach einer Mischung aus Kartoffel, Mandel und Erdnuss.
Ein Chimangokarakara aus der Familie der Geierfalken.
Trotz ihrer kulturellen und ökologischen Bedeutung steht die Chilenische Araukarie vor Herausforderungen. Invasive Arten wie die kalifornische Monterey-Kiefer bedrohen den Bestand. Die Araukarie wird auf der Roten Liste als ’stark gefährdet‘ geführt, und in Chile herrscht ein striktes Nutzungsverbot.
Bis zu 8.000 Meter kann er sich in die Höhe schrauben
Meister der Strömungen
Während unseres konzentrierten Abstiegs über einen steilen Schneehang durchbricht Edgardos Stimme plötzlich die Stille: „Schaut, ein Condor!“ Wir richten unsere Blicke gen Himmel. Tatsächlich, dort oben, fast zu einem schwarzen Strich verschmolzen vor dem Blau des Himmels, erkennen wir den majestätischen Vogel. Schnell gleitet er durch die Luft. Bis zu 8.000 Meter kann er sich in die Höhe schrauben.
Erwachsene Vögel erreichen eine Größe von über einem Meter und eine Flügelspannweite bis zu 3,20 Metern. Im Flug nutzen sie Luftströmungen, so dass sie nahezu mühelos Gleiten. Dank eines außergewöhnlichen Energiehaushalts können sie bis zu 40 Tage ohne Nahrung überleben. Wir beobachten den Condor, wie er sich elegant in den Windströmen wiegt, doch leider bleibt er in der Ferne, frei und unerreichbar.
Eine etwas verfallene, traditionelle Behausung genannt Ruka.
Die Kosmologie der Mapuche
Auf einem Hof in der Nachbarschaft unser Unterkunft lebt Pablo Calfuqueo Lefio, ein Experte in Sachen Mapuche-Kultur. Er lädt uns ein, mehr über die Mapuche und ihr Weltbild zu erfahren. Die umfassende Kosmologie der Mapuche interpretiert das Universum auf eine ganz eigene Weise und ist eine essenzielle Facette ihres spirituellen Erbes. Dabei spiegelt sie eine tiefe Verbundenheit mit der Natur wider.
Ihr Herzstück sind drei Welten. Die Unterwelt ‚Miñche Mapu‘, eine geheimnisvolle, unbekannte Welt unter der Erde; die mittlere Welt ‚Nag Mapu‘, in der Menschen, Ahnen, Geister, die Natur und alle lebenden Dinge koexistieren; und die Oberwelt ‚Wenu Mapu‘, die Sphäre der Sterne, Sonne, Mond, des Windes und Donners.
Schamanen fungieren heute noch als Mittler zwischen den Welten.
Die ‚Machi‘, Schamanen, spielen eine zentrale Rolle in dieser Weltanschauung. Sie fungieren auch heute noch als Vermittler zwischen den Welten, kommunizieren mit Ahnen und Wesen der Oberwelt und leiten die Gemeinschaft durch spirituelle Rituale und Zeremonien.
Weitere Elemente der Kosmologie sind eine eigene Sprache, der Kalender ‚Raking Txipantu‘ mit 13 Monaten zu je 28 Tagen, und ein reichhaltiger Mythen-Kanon. Dazu zählt auch der Entstehungsmythos der Mapuche: Die Geschichte der Schlangen Tren Tren und Kai Kai, die den ewigen Kampf zwischen Land und Wasser repräsentiert: Kai Kai, Herrscherin der Gewässer, entfachte einst aus purer Wut eine gewaltige Flut, die das Land zu verschlingen drohte.
Tren Tren, die Wächterin der Erde, ließ daraufhin Hügel zu schwindelerregenden Bergen wachsen, auf die sich die Menschen flüchteten. Einige blieben jedoch zurück, wurden von den Fluten verschlungen und leben heute als Fisch oder anderer Meeresbewohner.
Totale Ruhe, Entspannung pur: Annette in einer Hütte am Budi See.
Aus Angst, von der ständig zunehmenden Höhe vor der Sonne verbrannt zu werden, initiierten die Menschen eine sogenannte ’nguillatún‘-Zeremonie. So gelang es, die Harmonie zwischen Land und Meer wieder herzustellen und folglich die Flut zu besänftigen. Die auf den Bergen Übriggebliebenen nannten sich fortan Mapuche, übersetzt ‚Menschen der Erde‘.
Die Mapuche-Kosmovision bietet in einer Welt, die zunehmend von Entfremdung, Unsicherheit und Komplexität geprägt ist, eine erfrischende Lebensnähe und spirituelle Tiefe. Sie vermittelt Halt und Schutz, stärkt Identität und Zugehörigkeitsgefühl und eine tiefe Verbundenheit mit der Natur.
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